Mittwoch, 9. September 2009

My Stone

Mein Stein gehört mir gar nicht, er ist Eigen-
tum des lieben Gottes oder der Regierung,
ich weiß nicht wessen. Sicher ist nur, dass
sich außer IHM, der ihn erschuf, und mir,
der ihn entdeckte, noch nie jemand um
diesen Stein gekümmert hat.

Lange habe ich überlegt, ob ich etwa eine
Eingabe an die Obrigkeit richten könnte.
Wenn sich alles zu meinen Gunsten ent-
schiede, bliebe aber noch immer die
schwierigste Frage offen, die nämlich wozu
ich den Stein überhaupt brauchte.

Das aber wüßte ich nicht. Um ihn zu haben.
Um ihn unter meiner Birke liegen zu haben,
zwischen Haselbüschen, gewärmt von der
Sonne, gebadet vom Regen, mit Moos und
Efeu schön begrünt, einen uralten mächtigen,
ehrwürdigen Stein. Um Erde in seine Spalten
zu streuen und Gräser darin wachsen zu
lassen. Um abends und morgens hinzugehen
und mit der Hand über sein raues Gesicht zu
streichen. Die Vögel würden auf ihm sitzen
und singen, ich selbst nicht mehr. Denn die
Jahre sind hingegangen; ihm hat es nichts
ausgemacht, aber ich bin alt geworden.

(Karl Heinrich Waggerl)

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