Samstag, 27. Juni 2009
Das Verschwinden aller im Tod eines Einzelnen
Lebe ich zu sehr aus der überfüllten Luft?
und brauche ich zu viele andere
und schneide ich das Wort ab dem
der es braucht
und lasse ich es hell und dunkel werden
in die eigene Tasche?
Ich weiß nicht wie weit die Zukunft
mir voraus ist
und wie weit ich mir voraus bin.
Ich stehe in der Erde und wann immer ich abhebe
schlage ich hart wieder auf
Hier ist mein Fuß der seine eigene
Wirklichkeit hat und seine eigene
Ewigkeit
Fuß du wirst mich verlieren
Du wirst bekümmert auftreten
Und dann stehenbleiben wie ein Schuh.
(Nicolas Born)
(Bild: Artwork Marco and Rafael)
Freitag, 26. Juni 2009
Wahrnehmungen
sind, die wie ein Nebel unseren gesamten
Geist besetzt halten, uns nicht denken, nicht
handeln, nicht auf klare Weise SEIN lassen.
Als ob wir nicht geschlafen hätten, lebt in uns
etwas Traumhaftes weiter, und eine erstarrte
Tagessonne wärmt die stockende Oberfläche
der Sinne auf. Es ist wie eine Trunkenheit des
Nichtseins, und unser Wille ist ein im Vorgarten
geleerter Eimer, den ein träger Fuß im Vorbei-
gehen ungestoßen hat.
(Fernando Pessoa - Das Buch der Unruhe)
experience
bringen wir höchstens eine zur Sprache,
und auch diese bloss zufällig und
ohne die Sorgfalt, die sie verdiente.
Unter all den stummen Erfahrungen
sind diejenigen verborgen, die unserem
Leben unbemerkt seine Form, seine
Färbung und Melodie geben.
Wenn wir uns dann, als Archäologen
der Seele, diesen Schätzen zuwenden,
entdecken wir, wie verwirrend sie sind.
(Pascal Mercier - Nachzug nach Lissabon)
Bild: Marco Frech - 2004
fühlen
Das Sehnen aller Menschen nach allem
dringt in mich ein wie ein Opium der kühlen
Luft. In mir herrscht eine Ekstase des
Schauens, sie ist verinnerlicht und doch
von außen herbeigeführt
(Fernando Pessoa - Das Buch der Unruhe)
Bild: Artwork Marco and Rafael November December 2003
step by step
vorgestern. Da ist es mir zum erstenmal
geglückt, etwas festzuhalten, was sonst
immer auf der Flucht war, etwas eine
Weile zu eigen zu haben, was ich sonst nur
wie einen fernen Goldvogel fliegen sah.
(Hermann Hesse - Siddhartha)
Donnerstag, 25. Juni 2009
Die Schatten der Seele
erzählen, und die Geschichten, die man über
sich selbst erzählt; welche kommen der Wahr-
heit näher? Ist es so klar, daß es die eigenen
sind? Ist einer für sich selbst eine Autorität?
Doch das ist nicht wirklich die Frage, die mich
beschäftigt. Die eigentliche Frage ist: Gibt es
bei solchen Geschichten überhaupt einen
Unterschied zwischen wahr und falsch? Bei
Geschichten über das Äußere schon. Aber
wenn wir uns aufmachen, jemanden im
Inneren zu verstehen? Ist das eine Reise,
die irgendwann an ihr Ende kommt? Ist die
Seele ein Ort von Tatsachen? Oder sind die
vermeintlichen Tatsachen nur die trüge-
rischen Schatten unserer Geschichte?
(Pascal Mercier - Nachtzug nach
Lissabon)
Wie wahr
wie das Greifen nach einem
glühenden Stück Kohle in der
Absicht, es nach jemandem
zu werfen. Man verbrennt sich
nur selbst dabei.
(Buddha)
far away
ausgestreckt liegen, mit dem eigenen
Körper vergessen; die Freiheit besitzen,
unbewußt zu sein, in der Zuflucht des
vergessenen Sees, der zwischen belaubten
Bäumen in der Weite der Wälder ruht.
Ein Nichts, das atmet, ein leichter Tod,
aus dem man frisch und sehnsuchtsvoll
erwacht, ein Nachgeben der Gewebe der
Seele gegenüber der Gewandung des
Vergessens.
(Fernando Pessoa - Das Buch der Unruhe)
I don't like mondays
Zartgefühl, die kein Ermittler von Durch-
schnittswerten je bei ihnen vermutet hätte,
aber sie konnten auch niederträchtig und
gemein sein, wie es ein Normalmensch
kaum für möglich gehalten hätte. Elend,
Neid und Illusion - so fasse ich sie
zusammen .........
(Fernando Pessoa - Das Buch der Unruhe)
an open secret?
Gibt es ein Geheimnis unter der Oberfläche
menschlichen Tuns? Oder sind die Menschen
ganz und gar so, wie ihre Handlungen, die
offen zutage liegen, es anzeigen?
(Pascal Mercier - Nachtzug nach Lissabon)
InnerWorld
Fetzen, die so locker und lose aneinander-
hängen, daß jeder von ihnen jeden Augen-
blick flattert, wie er will; daher gibt es ebenso
viele Unterschiede zwischen uns und uns
selbst wie zwischen uns und den anderen.
(Michel de Montaigne, Essais, Zweites Buch, 1)
Mittwoch, 24. Juni 2009
Thinks.Attersee
Aufmerksamkeit, ohne Gedanken und ohne
Gefühl. Ich bin früh aufgewacht; ich bin
ohne Vorurteil auf die Straße getreten. Ich
schaue alles prüfend an wie ein Grübler.
Ich sehe wie einer, der nachdenkt; und ein
leichter Gefühlsnebel erhebt sich absurd
in mir; der Nebel, der darauß emporsteigt,
scheint langsam in mich einzudringen.
(Fernando Pessoa - Das Buch der Unruhe)
Dienstag, 23. Juni 2009
Montag, 22. Juni 2009
RedLake
zurück, das wie ausgebreitet vor einer
die Wolken durchbrechenden Sonne liegt;
und ich bemerke mit metaphysischem
Schaudern, daß meine sichersten Gebärden,
meine klarsten Vortellungen, meine
logischsten Vorhaben nichts anderes waren
als angeborene Trunkenheit, naturgegebene
Narrheit und große Verkennung. Ich habe
nicht einmal geschauspielert. Ich bin ge-
schauspielert worden. Ich war nicht der
Schauspieler, sondern seine Gesten.
(Fernando Pessoa: Das Buch der Unruhe)