Freitag, 25. September 2009

Structures

life

Eine rationale Lebensführung ist unmöglich.
Der Verstand gibt keine Regeln vor.
Und so habe ich begriffen, was sich
vielleicht hinter dem Mythos vom Sündenfall
verbirgt.
Der fürchterliche und tatsächliche Sinn
jener Versuchung, der Adam erlag,
als er vom sogenannten Baum der
Erkenntnis aß, traf das Auge meiner
Seele, wie ein Blitz das Auge eines
Körpers treffen kann.

Seit es Verstand gibt, ist alles Leben
unmöglich

(Fernando Pessoa)

Donnerstag, 24. September 2009

Er.Wachen

Er erwachte unter dem Eindruck seiner Bewusst-
losigkeit. Eine Weile spiele er damit, die Möglich-
keiten seines Gedächtnisses zu erproben,
indem er versuchte zu vergessen und sich wieder
zu erinnern -
als er die Frau an seiner Seite wahrnahm.
Gebannt beobachtete er sie in ihrer Benommen-
heit und sah, wie die Luft allmählich ihre Lunge
erweckte und das Licht ihre Augen,
sah ihre Bewegungen fließen, als sie sich rührte
und selbst entdeckte.
Er wusste, was gerade mit ihr geschah:
das behutsame Erwachen
vom Nichts zum Sein.

(Gioconda Belli - Unendlichkeit in ihrer Hand)

sun.flower

Um eine Welt in einem Sandkorn zu sehen
und einen Himmel in einer Wildblume,
halte die Unendlichkeit in deiner Hand
und die Ewigkeit in einer Stunde.

(William Blake)

a door to heaven

Und das Ende all unseres Forschens wird sein,
dort anzukommen, wo wir begannen,
und den Ort zum ersten Mal zu erkennen.
Durch die unbekannte, wieder erkannte Pforte.

(T.S. Eliot)

Ich...

... lese und bin befreit.
Ich erlange Objektivität.
Ich höre auf, ich zu sein,
dieses vereinzelte Wesen.
Und was ich lese, ist -
anders als ein Anzug, den ich kaum beachte
und der mich gelegentlich beengt -
die große überaus bemerkenswerte Klarheit
der äußeren Welt,
die Sonne, die alle sieht,
der Mond, der die stille Erde mit Schatten
sprengelt,
die weiten Räume, die im Meer enden,
die schwarze Standfestigkeit der Bäume,
deren Wipfel sich grün wiegen,
der reglose Friede der Teiche auf den Gütern,
die terrassierten Hänge mit ihren
weinüberwachsenen Wegen.

(Fernando Pessoa)

TatSachen

Ist die Seele ein Ort von Tatsachen? Oder sind die vermeintlichen Tatsachen nur die trügerischen Schatten unserer Geschichten?
(Nachtzug nach Lissabon,Pascal Mercier)

Mittwoch, 23. September 2009

Der Stuhl

Der Ästhet

Wenn ich sitze, will ich nicht
sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte,
sondern wie mein Sitz-Geist sich,
säße er, den Stuhl sich flöchte.

Der jedoch bedarf nicht viel,
schätzt am Stuhl allein den Stil,
überläßt den Zweck des Möbels
ohne Grimm der Gier des Pöbels.

(Christian Morgenstern)

Sonntag, 20. September 2009

Menschen

Zum Teufel,
ich hab sie satt, die Halb-Götter!
Wo auf dieser Welt sind die Menschen?

(Fernando Pessoa)

by night

Welch wollüstiges [...], übersinnliches Vergnügen,
bisweilen nachts durch die Straßen der Stadt zu
streifen und von meiner Seele aus die Häuser-
zeilen zu betrachten, die unterschiedlichen Bau-
werke, die architektonischen Details, das Licht
in Fenstern, die Blumentöpfe, die jeden Balkon
anders erscheinen lassen - welch unmittelbare,
große Freude empfinde ich, wenn beim Anblick
all dessen über die Lippen meines Bewußtseins
der erlösende Schrei kommt: Nichts, nichts von
alledem ist wirklich!

(Fernando Pessoa)